1938 bis 1945

Etwa 320 ha der Gemarkungen der Dörfer Godenstedt und Seedorf nimmt die Kaserne Seedorf mit ihrem Standortübungsplatz ein. Heute ein gewohnter Anblick. Aber so war es nicht immer. Früher erstreckte sich hier Heide, Acker und Grünland. Vor 77 Jahren änderte sich das.

 

Im Jahre 1938 besichtigte eine Kommission das Gelände und beschlagnahmte kurzfristig große Flächen, die zur Errichtung eines Barackenlagers für den Reichsarbeitsdienst benötigt wurden. Die Planungen für die Anlage eines solchen Objektes müssen von den damaligen Behörden wohl schon seit längerer Zeit vorbereitet worden sein, so schnell folgten Besichtigung und Beschlagnahme der Flächen sowie der Baubeginn aufeinander.Die Kaufverträge für die Grundstücke wurden allerdings erst später abgeschlossen, in einem bekannten Falle am 6.3.1940 mit dem Reichsfiskus (Luftfahrt). Dieser Vertrag wurde durch einen neuen Vertrag vom 30.09.1942 mit dem Reichsfiskus (Kriegsmarine) ersetzt. Die endgültige Regelung der Entschädigung erfolgte in den meisten Fällen nach dem Kriege und zum

Teil erst nach gerichtlichen Auseinandersetzungen.

 

Für die betroffenen Landwirte stellte die Landabgabe eine zum Teil erhebliche Belastung dar, zumal Ersatzland, wenn überhaupt, nur als Ödland zur Verfügung gestellt wurde. Widerstand gegen die Landabgabe dürfte in der damaligen Zeit aber wohl zwecklos gewesen sein.

 

Zunächst sollte ein Ersatzflugplatz gegenüber des Godenstedter Bahnhofs entstehen. Mit dem Bau wurde schon 1939 begonnen. Hieran waren auch Bauern aus der Umgebung beteiligt, die Bauarbeiten gingen nach ihren Angaben sehr schnell voran. Nach dem Ende des Polen- und des Westfeldzuges wurde der geplante Flugplatz nicht mehr benötigt, so dass ab etwa 1941 die Kriegsmarine das Lager Godenstedt, wie es nun genannt wurde, als Ausbildungslager übernahm. Unter anderem war hier die 2. Unterseebootsausbildungsabteilung (UAA) sowie Einheiten der Marineartillerie stationiert. In der UAA wurden Besatzungen für U-Boote aus- und weitergebildet. Viele Marinesoldaten sind nur für kurze Zeit hier gewesen, bevor sie auf ein U-Boot oder an andere Standorte versetzt wurden. Die hier stationierten etwa 3500 Soldaten waren in ca. 215 Einheitsbaracken aus Holz untergebracht. Wirtschafts- und Stabsgebäude waren in gleicher Art und Weise erstellt worden. Die Kaserne soll vom Anblick her, ein recht trostloser Ort gewesen sein.

 

Etwa im März 1945 endete die Zeit als Marineausbildungslager. Es soll dann für wenige Wochen ein Sammellager des Heeres dort bestanden haben, über dessen Funktion aber nichts bekannt ist. Augenzeugen berichten, dass die letzten deutschen Soldaten das Lager Ende April vor den anrückenden Engländern in Richtung Bremerhaven verließen.

1945 bis 1957

Für kurze Zeit standen nun die Baracken leer. Fast die ganze Einrichtung blieb zurück. Einheimische wie Flüchtlinge nutzten die Gelegenheit, fehlenden Hausrat aus den Beständen des Lagers zu ergänzen. In manchem Haushalt fand man noch Jahre später Teller, Schüsseln, Bestecke und anderes mit dem Zeichen der ehemaligen Kriegsmarine. Auch die Godenstedter Feuerwehr übte noch lange mit Gerät, das aus dem Lager stammte.

Anfang Mai 1945 übernahm die britische Militärregierung die Verwaltung des Lagers Seedorf, wie es nun hieß. Zunächst wurden etwa 1500 russische Kriegsgefangene aus dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager Sandbostel hier untergebracht. Diese sollen etwa bis Juli 1945 in ihre Heimat entlassen worden sein. Ihnen folgten etwa 10.000 Polen, für die das Lager ebenfalls eine Durchgangsstation war.

 

In dieser Zeit kam es in Seedorf und Godenstedt, wie in den umliegenden Dörfern, zu Plünderungen durch umherziehende ehemalige Kriegsgefangene. Alles Essbare wurde mitgenommen, Kleinvieh und Schweine geschlachtet, Wertsachen, Fahrräder und transportable Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Was sich nicht transportieren ließ, wurde in vielen Fällen zerstört. Etwa drei Wochen dauerten diese von Ordnungskräften kaum gestörten Räubereien. Die Bevölkerung war großen Belastungen ausgesetzt, auch weil immer wieder Drohungen gegen Leib und Leben ausgesprochen wurden. Natürlich waren diese Belastungen im Vergleich zu dem Schicksal von Millionen Flüchtlingen gering. Aber es herrschte dann doch Erleichterung, als es nach und nach zu einer Beruhigung kam und die englische Besatzungsmacht und später auch die wieder eingesetzte deutsche Polizei für eine gewisse Ordnung sorgten. Gelegentliche Einbrüche, das Ausmelken von Kühen auf der Weide, der Diebstahl von Brennholz und ähnliches kamen noch bis Anfang der 1950er Jahre vor. Der folgenschwerste Zwischenfall ereignete sich im Juni 1947 als der Godenstedter Polizeimeister Lansig auf einem Kontrollgang in der Nähe des Lagers brutal ermordet wurde.

 

Am 01.07.1945 wurde das Lager Seedorf der UNRRA übergeben. Die UNRRA war eine Einrichtung der UN die sich um die Betreuung von heimatlosen Ausländern, den „Displaced Persons“ kümmerte. Im Mai 1945 hielten sich ca. 8.5 Millionen von ihnen in Deutschland auf. Meist waren sie von den Deutschen Behörden in den besetzten Gebieten als Zwangsarbeiter verpflichtet und verschleppt worden. Überwiegend stammten diese aus Osteuropa. Die meisten von ihnen wollten oder konnten aus politischen Gründen nicht wieder in ihre Heimat zurück.

 

Nachdem sich also zunächst noch russische Kriegsgefangene und danach Polen im Lager befanden, kamen im März 1946 2100 Litauer, 1700 Letten und 200 Esten. Für sie wurde das Lager Seedorf für eine unbestimmte Zeit ihre vorläufige Heimat. So gut es ging, richteten sie sich unter den gegebenen Umständen ein.

 

Eine von ihnen 1947 verfasste Broschüre „DP Baltic Camp at Seedorf 1946 +1947“ gibt Einblicke in das damalige Leben im Lager. Die einzelnen Nationen hatten ein gewisses Mitsprache bei der Verwaltung, die sie zur Gestaltung ihres Aufenthaltes nutzten. Kirchliches Leben, Schulwesen, nationale Kultur, Sport und anderes wurden von den einzelnen Volksgruppen gepflegt. Durch vielfältige Aktivitäten bereiteten sie sich auf ein Leben nach dem Lager in Ihrer baltischen Heimat vor. Ein Traum, der für die meisten aus politischen Gründen unerfüllt blieb. Für viele blieb nur die Möglichkeit für einen Neuanfang in ferneren Gebieten. So wanderten seit Anfang 1948 viele in andere Länder aus. Im Rahmen der Aktion „Westward Home“ wurden Auswanderungswillige in Seedorf zusammengefasst und für den Weg nach England vorbereitet. Diese Aktion ging bis März 1948. Auch danach blieb das Lager Seedorf ein Durchgangslager. Nun aber mehr für Auswanderungen nach Neuseeland und Australien, die über Genua durchgeführt wurden.

 

Am 01.07.1950 kam das Lager unter deutsche Verwaltung. Mitte der 1950er Jahre lebten dort noch etwa 650 Personen. Sie fanden zu der Zeit Arbeit in der Landwirtschaft oder in umliegenden Gewerbebetrieben. Die Kinder besuchten zum Teil deutsche Schulen. Einige wanderten im Laufe der Zeit aus. Andere blieben in Deutschland und zogen in Gebiete, in denen sie bessere Arbeitsbedingungen fanden. Die Zahl der Bewohner nahm dadurch laufend ab.

 

Im Laufe der Jahre war auch schon ein in Teil der Baracken abgerissen und zum Teil an anderen Orten einer neuen Verwendung zugeführt worden. In Godenstedt und Seedorf wurden einige  als Wohnraum genutzt. Im Herbst 1957 wurden dann die Reste des Lagers aufgelöst. Die letzten Gebäude wurden bis auf wenige Ausnahmen abgebaut. Das Lager Seedorf hatte aufgehört zu bestehen, aber eine neue militärische Nutzung stand bevor.

1957 bis 1963

Kaum waren die letzten Baracken verschwunden, wurde mit dem Bau der Kaserne Seedorf begonnen. Seit 1955 wurde die neue Bundeswehr aufgestellt. Für diese Truppen mussten der Zeit entsprechende Unterkünfte geschaffen werden. Hierfür war auch das Gelände des ehemaligen Lagers Seedorf geeignet. Mit großer Begeisterung wurde dieses Vorhaben in der Bevölkerung nicht gesehen. Unter dem Eindruck der noch nicht allzu weit zurückliegenden Kriegsjahre war man dem Militär gegenüber skeptisch eingestellt. Hinzu kam, dass einige Landwirte ihre damals beschlagnahmten Flächen wieder in Besitz genommen hatten.Einige Landwirte, die als Flüchtlinge hier her gekommen waren, hatten auf gepachteten Flächen des Lagers neue landwirtschaftliche Betriebe gegründet.

 

Alle diese Ländereien wurden nun wieder für die Bundeswehr benötigt. Wieder kam es zu Belastungen der betroffenen Eigentümer aber ändern ließ sich nichts, da die Flächen im Eigentum der Bundesrepublik standen. An einigen Stellen kam es lediglich zu geringen Grenzkorrekturen.

 

Am 18.03.1959 bezogen die ersten Soldaten die neue Kaserne. Bis Mitte 1961 war die Anlage mit dem Panzerbataillon 74, den Panzergrenadierbataillonen 71 und 73 , dem Feldartilleriebataillon 75, einer schwere InstKp und drei Ausbildungskompanien voll belegt. Etwa 2500 Soldaten versahen ihren Dienst in Seedorf. Die Bevölkerung gewöhnte sich an den Anblick der Truppe. Ein Teil der Übungen fanden außerhalb der Kaserne statt. Manch Manöverschaden musste reguliert werden.

 

Parallel zur Kaserne wurde auch die Standortverwaltung Seedorf aufgebaut. Diese war für Verwaltungsaufgaben der Bundeswehr zuständig. Am 16.02.1959 begann sie in Seedorf mit ihrer Arbeit. Zunächst war sie noch in der alten Schulbaracke des Lagers untergebracht, bevor sie 1961 ein neues Dienstgebäude bezog.

1963 bis 2006

Nach dem Bau der Berliner Mauer hatte sich die NATO entschlossen, eine niederländische Brigade in Norddeutschland zu stationieren. 1963 wurde in dem Seedorf-Budel-Abkommen vereinbart, dass die 41. niederländische Panzerbrigade nach Seedorf verlegt und im Gegenzug ein Luftwaffenausbildungsregiment aus Stade in Budel stationiert wird.

 

Die Bundeswehr verlegte ihre Truppen nach Fischbek, Stade und Altenwalde und machte den Niederländern Platz, die am 02.09.1963 mit den ersten Truppen in Seedorf eintrafen. Etwa 2700 Soldaten aus den Niederlanden waren nun in Seedorf. Diese Zahl stieg bis Ende der 1980er Jahre auf etwa 4000 an, bevor sie im Rahmen der Entspannung nach 1989 wieder auf etwa 2700 sank.

 

Über 40 Jahre waren die Niederländer im Straßenbild nicht zu übersehen. Übende Einheiten sah man immer wieder in der Feldmark. Es kam zwar auch zu Manöverschäden aber auch zu vielen Hilfsleistungen. So war es für den Ortsteil Godenstedt eine große Hilfe, dass niederländische Pioniere 1975 während des Baus der Ostebrücke eine Notbrücke errichteten, über die der Verkehr während der Bauzeit frei fließen konnte.

 

Viele Niederländer wohnten in den Orten der Umgebung, so auch in Seedorf und Godenstedt. Sie beteiligten sich am örtlichen Leben, viele sind nach ihrer Dienstzeit hier sesshaft geworden, andere haben den Partner fürs Leben gefunden.

 

Während der Anwesenheit der Niederländer wurde die Kaserne immer weiter ausgebaut und modernisiert. In Sportanlagen, Wasserver- und Abwasserentsorgung, Panzerwaschanlage, Werkstätten, Unterkunftsgebäude und vieles andere wurde investiert. Eigentlich war es schwer vorstellbar, dass die Niederländer die Kaserne Seedorf jemals aufgeben würden.

 

Aber nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Auflösen der Militärblöcke änderte sich die Lage. Die Zahl der Soldaten wurde verringert, die 41. Panzerbrigade wandelte sich zur 41. Leichten Brigade und schließlich folgte in den Niederlanden der Beschluss, diese Brigade aufzulösen und den Standort Seedorf aufzugeben. Im Jahre 2006 verließen die letzten niederländischen Soldaten die Kaserne Seedorf, in der

sie über 40 Jahre zu Hause waren.

2006 bis heute

Das Ende der militärischen Nutzung des weiträumigen Areals schien gekommen zu sein. Eine sinnvolle Verwendung der zahlreichen Gebäude stellte die Verantwortlichen vor große Probleme. Hinzu kam für die ganze Region der Verlust an Wirtschaftskraft, der die Folge des Abzugs der vielen Soldaten und deren Angehörigen sein würde. Insbesondere die örtlichen Kommunalpolitiker der betroffenen Gebiete setzten sich eindringlich für eine weitere Nutzung durch das Militär ein. Ende 2004 entschied der damalige Verteidigungsminister Struck, dass die Kaserne weiter durch die Bundeswehr genutzt werden sollte. Die Erleichterung über diesen Beschluss war so groß, dass Dr. Struck zum Ehrenbürger der Gemeinde Seedorf ernannt wurde.

 

Unmittelbar nach dem Abzug der Niederländer übernahm die Bundeswehr die Kaserne und Ende 2006 zogen die ersten deutschen Soldaten der Luftlandebrigade 31 ein. Im Frühjahr 2007 war der Umzug der Einheiten, die aus Doberlug-Kirchhain in Brandenburg, aus Oldenburg, Wildeshausen und anderen Standorten kamen, abgeschlossen. Bis auf den Brigadestab, der in Oldenburg verblieb, war die ganzeBrigade nun in der Kaserne Seedorf stationiert. Im Einzelnen waren dies die Fallschirmjägerbataillone 313 und 373, die 3., 4. und 5. Kompanie des Luftlandeunterstützungsbataillon 272, die Luftlandepionierkompanie 270, die Luftlandeaufklärungskompanie 310, die Luftlandeflugabwehrraketenbatterie 100 und

das Fachsanitätszentrum.

 

Am 05.06.2009 erhielt die Kaserne ihren heutigen Namen, Fallschirmjäger-Kaserne. Die Arbeitsbedingungen in der Fallschirmjäger-Kaserne sind heute grundsätzlich gut. Notwendige Erweiterungen für die speziellen Aufgaben der Truppe sind erfolgt oder bis heute im Bau. Der Übungsbetrieb läuft wie eh und je und wird in den umliegenden Ortschaften wahrgenommen. Die Panzer sind wesentlich kleiner geworden, dafür fliegen zeitweise mehr Hubschrauber als zu Zeiten der Niederländer.

 

Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr wurde die Luftlandebrigade 31 und deren Verbände aufgelöst. Zum 01.10.2014 wurde aus diesen Verbänden das Fallschirmjägerregiment 31 aufgestellt. Zum Regiment gehören insgesamt 11 Kompanien. Neben diesem ersten Fallschirmjägerregiment der Bundeswehr sind noch die Luftlandepionierkompanie 270, die Luftlandeaufklärungskompanie 310 und das Sanitätsversorgungszentrum sowie Teile des Bundeswehr-Dienstleistungszentrum Rotenburg in der Fallschirmjäger-Kaserne stationiert. Die Kaserne ist heute mit etwa 2500 Soldaten und zivilen Bundeswehrangehörigen belegt.

Fallschirmjägerkaserne

Am Twistenberg 120

27404 Seedorf

Tel.: 04281-9545-0

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Am Markt 4
27404 Zeven
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